Steuerhinweis für Rentner Nr.54                                           26.9.2014

Sind  Alleinerziehende die Benachteiligten unserer Gesellschaft?

"Die klassische Familie verliert an Boden". Unter diesem Titel wird berichtet, dass jede dritte Familie in Deutschland nicht mehr nach dem klassischen Modell lebt. 20 Prozent der Väter und Mütter waren 2013 alleinerziehend, 10 Prozent lebten in nichtehelichen oder gleichgeschlechtlichen Partnerschaften. Das sind fast 10 Prozent mehr als 1996. Alleinerziehende werden in unserer Gesellschaft zunehmend als benachteiligt eingestuft, weil sie doppelt belastet sind. Wegen der alleinigen Kinderbetreuung und nicht ausreichender Krippenplätze können sie in der Regel nur teilzeit arbeiten oder sie sind auf Minijobs angewiesen. Dadurch fehlen die für eine normale Lebensführung ausreichenden Einkünfte und sie sind häufig auf Sozialhilfe angewiesen. In diesem Zusammenhang wurde auch das Thema Mindestlohn kontrovers diskutiert und der Eindruck erweckt, als wären vor allen Dingen die Alleinerziehenden die Benachteiligten in unserer Gesellschaft.

1. Wer gilt als alleinerziehend?

Alleinerziehende sind Personen, die mindestens mit einem minderjährigen Kind in ständiger Hausgemeinschaft zusammenleben und dieses betreuen und erziehen, ohne einen eigenen Partner in ständiger Hausgemeinschaft zu haben (so genannte Eineltern-Familie).

Es handelt sich dabei um Mütter oder Väter, die ledig, verwitwet, dauernd getrennt lebend oder geschieden sind und nicht mit anderen Erwachsenen, jedoch mit ihrem Kind oder ihren Kindern in ständiger Hausgemeinschaft zusammenleben und wo für die Kinder zu dem andere Elternteil allenfalls Besuchskontakte bestehen.

In der öffentlichen Diskussion werden aber nur selten die Gründe genannt, die zu dieser Situation geführt haben. Zunächst sind die Alleinerziehenden danach einzuordnen, ob ihre Situation durch einen Schicksalsschlag wie den Tod des Partners entstanden ist oder bewusst herbeigeführt wurde, weil sich die Ehepartner getrennt haben und nun allein ihr künftiges Leben mit Kind bestimmen wollen.

Im ersten Fall ist es ein Schicksalsschlag, bei dem der überlebende Partner ggf. durch Rentenansprüche des Verstorbenen oder Erbmasse teilweise abgesichert ist. Wenn nicht, handelt es sich um einen Härtefall, für den auch die Gemeinschaft eintreten muss.

Die Einelternfamilien entstehen aber zunehmend dadurch, dass Frauen Kinder zur Welt bringen, ohne mit dem Kindvater bereits verheiratet zu sein oder dieses anzustreben oder eine Ehe schon nach wenigen Ehejahren scheitert. Auch wenn zunächst das Zusammenleben in einer Familie praktiziert wird, ist die Trennung viel schneller und leichter zu vollziehen, wenn keine Ehe eingegangen wurde, weil kaum rechtliche Bindungen zu beseitigen sind und für den Kindvater nicht die finanziellen Verpflichtungen entstehen wie bei einer Scheidung. Andererseits vermeiden die Mütter eine Auseinandersetzung bezüglich des Sorgerechts, das bei einer Scheidung häufig zum Streit führt. Lebt ein Kind nach der Trennung zu gleichen Anteilen bei beiden Eltern (Wechselmodell), gilt keiner der Elternteile als allein erziehend.

Statistisch haben 2010 in Deutschland 44 % der Bevölkerung als Ehepaare und 8 % in Lebensgemeinschaften gelebt, 43 % waren Alleinstehende (Singles, Kinder und ältere Mitbürger) und 6 % Alleinerziehende. Das sind bei einer Bevölkerung von rd. 80 Mio. immerhin 4,8 Mio. Alleinerziehende, davon 90 % weiblich. Die alleinerziehenden Mütter waren 2009 nur zu 60 % berufstätig, alleinerziehende Väter zu 72 %. Der Anteil der in Vollzeit arbeitenden alleinerziehenden Mütter ist von 61 % im Jahr 1996 auf 42 % im Jahr 2009 gesunken. In 2008 lebten etwa 40 % der Alleinerziehenden (ca. 660.000 mit 1 Mio. Kindern) von Arbeitslosengeld II.

 

Für diesen Kreis der Alleinerziehenden ergibt sich ohne die Hilfe des Kindsvaters die Unterstützungsnotwendigkeit durch die Allgemeinheit. Dieses betrifft sowohl die finanzielle Unterstützung wie auch Beratungs- und Qualifizierungsangebote. Besonders wichtig sind für Alleinstehende Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch eine qualitative und hochwertige Kinderbetreuung sowie eine Arbeitsorganisation, die den Alleinerziehenden Flexibilität  ermöglicht. Dieses gilt aber auch für Ehepartner in einer intakten Familie, wenn sie beide auch während der „Kinderzeit“ ihren Beruf ausüben wollen.

2. Welche Leistungen erhalten Alleinerziehende ohne ein ausreichendes Einkommen (Grundsicherung)

Alleinerziehende ohne bzw. mit nur geringem Familieneinkommen, die auch kein Vermögen oberhalb der bestehenden Freigrenzen haben und erwerbsfähig sind, haben Anspruch auf Arbeitslosengeld II (ALG II).

Als erwerbsfähig gelten alle Personen zwischen 15 und 64 Jahren, die nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande sind, mindestens 3 Std. täglich berufstätig zu sein. Mütter und Väter, die Kinder unter 3 Jahren betreuen, gelten als erwerbsfähig mit Anspruch auf ALG II, obgleich ihnen eine Arbeit nicht zuzumuten ist.

Auch alleinerziehende Studierende, die wegen Kindererziehung beurlaubt sind , können ALG II beziehen. Wenn sie selbst wegen Studium kein ALG II erhalten, können Kinder und andere Angehörige ihrer Bedarfs- bzw. Haushaltsgemeinschaft Sozialgeld/ALG II beziehen, während sie selbst  den Mehrbedarf für Schwangere und Alleinerziehende erhalten können. Junge Erwachsene von 18 bis 25 Jahren, die bei ihren Eltern leben, zählen zur Bedarfsgesellschaft, erhalten jedoch nur 306 € als Regelleistung.

Die Regelleistungen und Mehrbedarfe haben 2013 betragen:

Regelbedarf

Alleinstehende/ Alleinerziehende 382 €; Partner 345 €,

Kinder bis 5 Jahren 224 €,

Kinder von 6 bis 13 Jahren   255 €,

Kinder von 14 bis 17 Jahren 289 €,

von 18 bis 25 Jahren im Haushalt 306 €.

Mehrbedarf (% der Regelleistung)

  • Werdende Mütter ab Beginn der 13. Schwangerschaftswoche 17 %,
  • für Alleinerziehende mit 1 Kind über 7 oder 2 bis 3 Kindern unter 16 Jahren 36 %,
  • 1 Kind über 17 Jahren 12 %,
  • 4 Kindern unter 18 Jahren 48 %,
  • 5 und mehr Kindern über 18 J. 60 %,

Warmwasser und besondere unabweisbare Bedarfe

Krankenkassenversicherung wird mit den Kosten der Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenkasse übernommen, wenn keine Familienversicherung besteht.

Unterkunftskosten werden in angemessener Höhe im Rahmen der vom kommunalen Träger festgelegten Mietobergrenzen (Nettokaltmiete und Betriebskosten) übernommen; z.B. für 3 Personen (80 qm) ca. 630 €. Heiz- und Warmwasserkosten werden ebenfalls erstattet.

Folgende Zusätzliche Bedarfe können zu den Regelleistungen beantragt werden:
Erstausstattung der Wohnung,
Schwangerschaftsbekleidung und Erstausstattung für Neugeborene,
mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen,
Anschaffung und Reparatur von orthopädischen Schuhen.

Zusätzliche Leistungen für die Schule sowie Bildung und Teilhabe für Kinder, wenn sie eine allgemein- oder berufsbildende Schule besuchen und kein Ausbildungsentgelt erhalten:
Eigenanteil für Schulbücher wird erstattet,
mehrtägige Klassenfahrten,
persönlicher Schulbedarf,
Schülerbeförderung im Einzelfall,
Lernförderung,
Mittagessen in Schule und Tageseinrichtungen,
Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben (10 €).

Eigene Einkünfte werden auf das nach vorstehenden Grundsätzen ermittelte ALG II wie folgt angerechnet:
Kindergeld bei minderjährigen Kindern sowie Unterhalt (Kindsvater) bzw. Unterhaltsvorschuss,
Eigene Erwerbseinkommen oberhalb einer Freigrenze (bis 300 €/ 150 €).
Ein angemessenes Kraftfahrzeug, ein selbst genutztes eigenes Haus bzw. Eigentumswohnung sowie ein in seiner Höhe altersabhängiger Vermögensgrundfreibetrag schließen den Leistungsbezug nicht aus.

Beispiele:
Danach ergibt sich für eine Alleinerziehende folgendes ALG II:

mit einem 5- und einem 8jährigen Kind 

mit einem 15jährigen Kind

Regelbedarf 

Mutter  

382 €

 

382 €

 

5jähriges Kind

224 €

 

 

 

8jähriges Kind   

255 €

Kind

224 €

 

insgesamt  

861 €

 

606 €

Mehrbedarf

2 Kinder unter 16 Jahren  36 %

310 €

1 Kind 36 %

218 €

 

Se. Regel- und Mehrbedarf 

1.171 €

 

824 €

Unterkunft   

Wohnung für 3 Personen

630 €

2 Personen

536 €

Heiz- und Wasserkosten

 

100 €

 

100 €

Zusatzbedarf für Schule

 

100 €

 

50 €

Von der Allgemeinheit zu tragende monatliche Gesamtleistungen

2.001 €

 

1.375 €

Entspricht einem Bruttoarbeitslohn von (siehe Anmerkung)

 3.150 €

21 € je Std.13,20 €

 1.980 €

Da diese Leistungen im wesentlichen aus den Steuereinnahmen finanziert werden und diese zum größten Teil von den Bürgern mit höheren Einkommen und Steuerbelasungen aufgebracht werden, leisten gerade auch diese ihren Beitrag zur Unterstützung Alleinerziehender und deren Kinder. 

3. Welche Grundsicherung ergibt sich als Vergleich dazu im Alter:

Viele Rentner haben im Alter nur ein geringes Einkommen und bedürfen daher staatliche Unterstützungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts soweit die eigenen Einkommen die Grundsicherungsbeträge unterschreiten.

Ab dem regulären Rentenalter (2014 sind das 65 Jahre und 3 Monate) beträgt die Grundsicherung: Als Regelbedarf 391€ für Alleinstehende und 706 € für Ehepaare und zusammenlebende Paare,
zuzüglich Kosten für Unterkunft und Heizung (Haus mit 70 qm bzw. Eigentumswohnung mit 60 qm) und ggf. und
Mehrbedarf z. B. bei Gehbehinderung.

Außerdem werden die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge übernommen.

Eigenes Vermögen wird bei Alleinstehenden ab einem Freibetrag von 2.600 € angerechnet, für einen Partner sind zusätzlich 614 € frei. Nur in diesem Rahmen wird auch ein Auto akzeptiert.

Mit dem Bedarf verrechnet werden alle Einkommen (gesetzliche Rente, Betriebsrente, private Rente und andere Einkünfte wie Zinserträge oder Mieteinnahmen). Von einem 450 € -Job werden nur 135 € nicht angerechnet. Bei Ehepaaren sind die Einkommen nicht getrennt, sondern zusammen zu rechnen.

Beispiele:

Regelbedarf für Ehepaare  

706 € 

für Alleinstehende

391 €

Mietkosten

500 €

 

400 €

Heizung

100 €

 

100 €

Grundsicherung

1.306 €

 

891 €

Eigenes Einkommen

 

 

 

Rente Ehemann

800 €

Rente

400 €

Rente Ehefrau

400 €

 

 

Minijob (300 € abzüglich 135 €) 

165 €

 

 

Gesamtes anzurechnendes Einkommen von

1.365 €

anzurechnende Rente

400 €

übersteigt das Arbeitslosengeld,

 

verbleiben als ALG II  

491 €

daher ist kein ALG II zu gewähren

 

als Aufstockungsbetrag

 

Anmerkung zum Beispiel unter 2:
Die Leistungen lt. ALG II sind Beträge, die ohne Abzüge zur Verfügung stehen. Würde die begünstigte Person diese Nettobeträge im Rahmen eines versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisses erzielen, würden neben den Sozialversicherungsbeiträgen von 21,2 % ggf. auch noch Steuern anfallen.

Von dem  von Alleinerziehenden zu versteuernden Einkommen ist gem. § 24 b EStG ein Entlastungsbetrag von 1.308 € (ab 2015 erhöht auf 1.908 €) abzuziehen und führt ggf. zur Steuerminderung.

Helmut Laser