Steuerhinweis für Rentner Nr. 63                                  2.6. und 8.7.2015

Ist die Steuerbelastung von geerbtem Vermögen zu gering?

Das Thema Erbschaftsteuer wird zur Zeit in den Medien neu diskutiert, insbesondere unter der Überschrift "Unverdient reich - ist Erben gerecht" (z. B. Günther Jauch am 17.5.2015).

Unterstützt wird dieses durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17.12.2014, das die in §§ 13a und 13b ErbStG bestehende Steuerbefreiung für Betriebsvermögen, Betriebe der Forstwirtschaft und Anteile an Kapitalgesellschaften nicht mit Artikel 3 Abs.1 des Grundgesetzes vereinbar hält und vom Gesetzgeber bis spätestens 30.6.2016 eine Neuregelung fordert. Bis dahin bleibt jedoch das bisherige Recht weiter anwendbar. Steuerfestsetzungen nach dem 31.12.2008 sollen nach einem gleichlautenden Erlass der obersten Finanzbehörden der Länder vom 12.3.2015 im vollen Umfang vorläufig durchgeführt werden.
Bereits am 8.7.2015 hat die Bundesregierung den "Gesetzentwurf zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungssteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts" beschlossen.

Ein weiterer Grund, sich mit der Erbschaftsteuer auseinander zu setzen, ist die EU-Erbrechtsverordnung aus dem Jahre 2012, die nach einer dreijährigen Übergangszeit in Deutschland auf Todesfälle anzuwenden ist, die ab 17.8.2015 eintreten. Diese Verordnung hat zwar keine Auswirkungen auf das nationale Erbschaftssteuerrecht, führt aber u.a. zu Änderungen bzw. Ergänzungen im internationalen Erbrecht, der internationalen Zuständigkeit in Erbsachen und zur Schaffung eines europäischen Nachlasszeugnisses. Abgewickelt wird künftig nach dem Recht des Landes, in dem der Erblasser im Todesfalle und davor seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Dabei ist unerheblich, wo sich sein Vermögen befindet oder welche Staatsangehörigkeit der Erblasser hat. Die EU-Verordnung räumt dem Erblasser aber das Recht ein, das Recht des Staates zu wählen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Rentner, die ihren regelmäßigen Aufenthalt z.B. nach Mallorca verlegt haben, sollten ggf. in ihrem Testament festlegen, dass die Vererbung ihres Nachlasses nach dem deutschen Erbrecht unter vollständigem Ausschluss der Vorschriften über das internationale Privatrecht erfolgen soll (bekannt als Mallorca-Klausel).

In den Talkshows und Zeitungsartikeln wird im Hinblick darauf, dass die Kluft zwischen Arm und Reich immer weiter auseinanderdriftet, nach Lösungen gesucht, wie dieses verhindert oder gestoppt werden kann. Es wird auch die Frage gestellt, ob es gerecht ist, dass große Vermögen auf die nachfolgende Generation vererbt werden, die dieses Vermögen nicht selbst erwirtschaftet haben und dadurch einen Start haben, den die Masse der Bevölkerung nicht hat. 250 Mrd. werden jährlich vererbt. Davon fließt die Hälfte 10 % der Erben zu. Dieses durch eine höhere Besteuerung des Erbvorgangs bei den Reichen weiter abzuschöpfen und der ärmeren Bevölkerungsschicht zukommen zu lassen, ist sicher ein Wunsch insbesondere derer, die mit ihrem Einkommen gerade den nötigen Lebensunterhalt verdienen und nie in der Lage sein werden, Mittel für eine Vermögensbildung und Altersicherung anzusammeln. Es stellt sich daher die berechtigte Frage, belastet das deutsche Steuerrecht die Besserverdienenden nicht genug und wäre von ihnen mehr zu fordern, um damit die Sozialhilfeempfänger, Arbeitslosen und anderen Einkommensgruppen mit niedrigen Einkommen zu unterstützen.

Unsere Besteuerung des Einkommens geht von dem Leistungsprinzip aus. Nach den für alle Steuerpflichtige geltenden Grundfreibeträgen von 8.354 € beginnt der Steuersatz bei 14% und steigt progressiv auf 42% an. Dieser Steuersatz wird für alle Einkommen ab 52.882 € angewendet und erhöht sich für Einkommen ab 250.731 € sogar auf 45%. Unter Berücksichtigung des zusätzlich erhobenen Solidaritätszuschlags von 5,5% ergibt sich zur Zeit eine Spitzensteuerbelastung von 47,475% für alle Einkommensteile ab 250.731 €. Lediglich Gewerbebetriebe werden durch Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer entlastet, wodurch die Gesamtbelastung unter 40% sinkt.

Ausnahmen gelten für Kapitalerträge, die dem Abgeltungssteuersatz von 25% zuzüglich 5,5% SoliZuschlag unterliegen. Diese Einkünfte sind also mit einer Einkommensteuer von 26,38% belastet. Zu beachten ist aber, dass die Masse dieser Kapitaleinkünfte aus Kapitalgesellschaften (AG, GmbH usw.) stammt, die bei diesen Gesellschaften bereits der Besteuerung mit Gewerbesteuer (je nach Hebesatz der Gemeinde mit mehr als 12%), Körperschaftsteuer (15%) und SoliZu (5,5%) unterlegen haben. Rechnet man die bei der Körperschaft entstandene Steuerbelastung von ca. 26% des Gewinns vor Steuern mit der beim Gesellschafter entstandenen zusammen, so entsteht auf diese von der Kapitalgesellschaft erwirtschafteten Gewinne vor Steuern eine Gesamtsteuerbelastung von 45,64%. Sie liegt damit nur geringfügig unter der Gesamtbelastung für übrige Einküfte von 47,475%.

Leider wird bei der Diskussion über die Abgeltungssteuer diese (Doppel-)Besteuerung bei der Kapitalgesellschaft und beim Gesellschafter völlig ignoriert. Bei Einführung der Körperschaftsteuerreform wurde die bei der Gesellschaft erhobene Körperschaftsteuer der Bardividende hinzugerechnet und auf die beim Gesellschafter darauf entstehende Einkommensteuer voll angerechnet. Nach Abschaffung des Anrechnungsverfahrens wurde ab 2001 die bei der Kapitalgesellschaft entstehende Körperschaftsteuer von 25% endgültig, dafür wurde die Dividende beim Gesellschafter nur zur Hälfte angesetzt, das heißt mit der Hälfte des üblichen Steuersatz belastet. Bei Einführung der Abgeltungssteuer wurde ab 2009 zwar der Körperschaftsteuersatz auf 15% gesenkt. Der Abgeltungssteuersatz von 25% war aber in der Regel mehr als 50% des Spitzensteuersatzes von 45%. Eine genaue Berechnung der Steuerbelastung unterschiedlicher Einkommensgruppen siehe Tabelle am Ende.

Wie sich aus dieser Darstellung der Steuerbelastungsentwicklung ergibt, sind die  Einkommensteile, aus denen in der Vergangenheit Vermögen als Erbmasse angesammelt werden konnte, in der Regel mit 50% Steuern belastet gewesen. Das bedeutet, für das nach dieser Besteuerung verbleibende Vermögen sind bereits in etwa gleicher Höhe Steuern an den Fiskus entrichtet worden und diese haben vorrangig dazu beigetragen, der bedürftigen Bevölkerung notwendige Unterstützungen gewähren zu können. Denn etwa 10% der Einkommensteuerpflichtigen erbringen den wesentlichsten Teil der Einkommensteuer. Dieses Steueraufkommen des Fiskus wird zu mehr als der Hälfte zur Finanzierung der Leistungen des Arbeitsministeriums für Geringverdiener, Sozialhilfeempfänger und Rentner verwendet.

Die besorgniserregende auseinander driftende Vermögensverteilung hat die Diskussion über eine Neuverteilung ggf. durch stärkere Besteuerung von Erbvorgängen erneut entfacht. Die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Neuregelung für die bestehende Steuerbefreiung für Betriebsvermögen, Betriebe der Forstwirtschaft und Anteile an Kapitalgesellschaften wird dieses Problem durch eine Gesetzesänderung lösen müssen.

Gesetzentwurf vom 8.7.2015
Dieser sieht vor, dass künftig nur solches Vermögen begünstigt (verschont) wird, das überwiegend seinem Hauptzweck nach einer gewerblichen, freiberuflichen oder land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit dient. Bei der Wahl der Verschonung von 85% des begünstigten Vermögens muss der Betrieb 5 Jahre fortgeführt werden und nachweisen, dass die Lohnsumme innerhelb von 5 Jahren nach Erwerb insgesamt 400% der Ausgangslohnsumme nicht unterschreitet. Bei Wahl der 100% Befreiung beträgt der Fortführungszeitraum 7 Jahre bei Nachweis von 700% der Ausgangslohnsumme.
Für kleinere Betriebe mit bis zu 3 Beschäftigten wird auf die Lohnsummenprüfung verzichtet. Ab 4 bis zu 20 Beschäftigten ist die Lohnsumme bei einer Behaltefrist von 5 Jahren 250 bzw. 300% und bei mindestens 7 Jahren 500 bzw. 565% der Ausgangslohnsumme.
Beim Erwerb größerer Betriebsvermögen von über 26 Mio € sieht der Gesetzentwurf ein Wahlrecht zwischen einer Verschonungsbedarfsprüfung (Nachweis der Nichtzahlungmöglichkeit der Steuer) oder einem besonderen Verschonungsabschlagsmodell, bei dem sich der Verschonungsabschlag von 85% bei einer Haltefrist von 5 Jahren bzw. 100% bei einer Haltefrist von 7 Jahren schrittweise verringert (siehe Übersicht der Neuregelung lt. Gesetzentwurf vom 8.7.2015).

Nach dieser Gesetzeskorrektur für die Vererbung von betrieblichem Vermögen bleibt  der geltende Erbschaftsteuersatz unverändert. Er beträgt in der Steuerklasse I für Erbvorgänge an Ehegatten, Kinder und Enkel bei einem steuerpflichtigen Vermögen bis 6 Mio € 19%, der Steuersatz steigt bei größerem Vermögen auf 23%, bzw. 27% und ab 26 Mio € auf 30%. In der Steuerklasse II (Eltern, Geschwister und weitere Verwandte) werden bis 6 Mio € Vermögen bereits 30% und steigend ab 26 Mio € 43% erhoben. Bei den übrigen Erben (Steuerklasse III) beträgt der Steuersatz 30% und bereits ab 6 Mio € 50%. Dabei wird der jeweilige Steuersatz auf das gesamte steuerpflichtige Vermögen erhoben.

Durch in den einzelnen Steuerklassen unterschiedliche Freibeträge (z.B. 400.000 bzw. 500.000 für Kinder bzw. Ehepartner) wird sichergestellt, dass geringere Vermögen (z.B. ein Einfamilienhaus) nicht mit der Erbschaftsteuer belastet werden.

Man kann daher davon ausgehen, dass die von den Millionären vererbten Vermögen schon nach geltendem Recht bei Erbvorgängen an die Kinder mit bis zu 30% Erbschaftsteuer belastet sind. Diese Steuer ist bei Erbvorgängen mit Barvermögen oder Wertpapieren sicher ohne Probleme zahlbar, bei Immobilien oder ganzen Gewerbebetrieben kann die Steuer in der Regel nur durch Veräußerung von Vermögensteilen aufgebracht werden. Aus diesem Grunde sah das geltende Recht für den Übergang von Betrieben an die Kinder eine Befreiung von der Erbschaftsteuer vor, wenn für eine bestimmte Zeit die Fortführung des Unternehmens unter Erhalt der Arbeitsplätze sichergestellt wird. Diese Regelung ist jetzt im Grunsatz zwar beibehalten, in Anpassung an die Grundsätze des Bundesverfassungsgerichtsurteils jedoch verfassungskonform gestaltet worden.

Wie diese Ausführungen zeigen, kann eine angestrebte Neuregelung der Vermögensverteilung zwischen Arm und Reich kaum durch eine erheblich höhere Besteuerung der Erbvorgänge erreicht werden. Wenn darüber geredet wird, welche Unsummen jährlich vererbt werden, muss zunächst analysiert werden, um welche Vermögensarten es sich dabei handelt und welche Folgen zu erwarten sind, wenn durch Wegbesteuerung von Vermögen den Unternehmen das Kapital für die Unternehmensfortführung entzogen wird. Wie oben dargestellt, landet fast die Hälfte der von Großunternehmen (Aktiengesellschaften) erwirtschafteten Gewinne als Steuern beim Fiskus. Sie sind seine sicherste Einnahmequelle, die gerade auch der ärmeren Bevölkerung zugute kommt. Die Existenz der Groß- und mittelständischen Unternehmen sichert außerdem Arbeitsplätze und damit ausreichendes Einkommen bzw. Wohlstand für breite Schichten der Bevölkerung.

Fazit:
Eine Änderung des bestehenden Erbschaftsteuerrechts wird kaum dazu beitragen können, dass die Schere zwischen Arm und Reich sich wesentlich verringern oder gar schließen wird. Nur bei völligem Vermögensverlust für die Reichen wie z.B. nach einem Krieg oder durch Naturkatastrophen wird die Differenzen sich nennenswert beseitigen. Aber wer will schon einen Krieg, sicher auch nicht die Bevölkerungsschichten, die sich heute benachteiligt fühlen.

Helmut Laser  
2.6.2015 und 8.7.2015
  

Steuerbelastungsvergleiche

 

Kapitalgesellschaft

Einzelgewerbe

   
 

(AG,GmbH) Vereine

 

   
Gewinn vor Steuern 1000,00 1000,00    
Gewerbesteuer 12,28% 12,28%    
Steuerbetrag (*) 122,80 122,80    
Gewinn nach GewSteuer 877,20 877,20    
darauf KöSt + SoliZu 15,83%      
Steuerbetrag 138,82      
verbleiben als Bardividende 738,38      
Steuer des Unternehmens 261,62 122,80

Einkommen
ohne

Einkommen mit

in % vom Gewinn vor Steuern 26,16%  

Kapitalerträge

begünstigten Kapitalerträgen

     

(Vermietung, Freiberufler)

(außer Dividenden usw.)

begünstigte Kapitalerträge      0,00 500,00
voll zu versteuernde Einkommensteile     1000,00 500,00
zu versteuernde Einkommen 738,38 877,20 1000,00 1000,00
davon Kapitaleinkünfte ohne Dividende       500,00
ESt (42%) + SoliZu bzw. ESt 45%   44,31% 44,31% 44,31%
Steuerbetrag   388,69 443,10 221,55
Gewerbesteuerminder. (**)  

-122,80

   
Steuerbetrag insgesamt   388,69 443,10  
in % vom Gewinn vor Steuern   38,87% 44,31%  
Einkünfte mit Abgeltungssteuer       500,00
Abgeltungssteuer + SoliZu 26,38%     26,38%
Steuer des Aktionärs / Steuerpflichtigen 194,75     131,88
in % vom Gewinn vor Steuern 19,47%      
Steuer insgesamt 456,37 388,69

443,10

353,43
Belastung in % vom Gewinn vor Steuern 45,64% 38,87%  ***)               44,31% 35,34%
*) Gewinn nach Gewerbesteuer (877,20) x Gewerbesteuermessbetrag (3,5%) x Hebesatz (400%)

***) ab 250.000 € beträgt 

**) Gewerbesteuerminderung beträgt 3,5% des Gewerbeertrages x 3,8 (max. tats. GewSt)

die Belastung 47,475 %