Steuerhinweis für Rentner Nr.37                                         12.1.2012

Ist die Einheitsbewertung des Grundvermögens verfassungswidrig?

1.      Vorbemerkungen

Zum Jahresende 2011 wurde in den Medien vielfach darauf hingewiesen, dass bis zum Jahresende den eingehenden Einheitswertbescheiden für Grundstücke bzw. Grundsteuerbescheiden widersprochen oder bei bestehenden deren Aufhebung beim Finanzamt beantragt werden sollte, weil das Bundesverfassungsgericht sich mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit der derzeitigen Grundsteuererhebung auf Basis der bisher festgestellten Einheitswerte befasst.

Da die derzeitige Bewertung der Grundstücke im Rahmen der Einheitsbewertung auf dem Zahlenmaterial des Jahres 1964 erfolgt, ergeben sich z. B. bei Einfamilienhäusern Werte, die lediglich 1/4 bis 1/5 des Verkehrswertes ergeben. Dieses führt daher gegenüber anderen Vermögenswerten wie beispielsweise Sach- und Geldvermögen zu einer ungleichen Besteuerung und besonders bei der Grundsteuer zu einer sehr geringen Steuerbelastung.

Um diese Ungleichheit bei der Vermögensteuer zu beseitigen, wurde diese Steuer bereits vor Jahren „abgeschafft“, denn eine völlige Neubewertung des Grundvermögens hätte zu erheblichen Belastungen (Arbeits- und Verwaltungsaufwand) insbesondere für die Unternehmen und den Fiskus geführt.

Für die Grundsteuer konnte jedoch auf Einheitswerte nicht verzichtet werden, weil den Kommunen sonst die Grundlage für diese Kommunalsteuer entzogen wäre und ein neues Verfahren ein langjähriges Gesetzgebungsverfahren bedingt hätte. So behalf man sich mit pauschalen Zuschlägen, die nunmehr wieder das Verfassungsgericht beschäftigen. Die bisher bestehenden gesetzlichen Regelungen und deren Auswirkung für die Einheitsbewertung des Grundvermögens und die Erhebung der Grundsteuer werden zum Verständnis der beschriebenen Besteuerungsproblematik nachfolgend dargestellt:

2. Bewertungsgrundsätze

Jedes Grundstück, Wohneigentum und oder auch Teileigentum bildet für sich eine wirtschaftliche Einheit, die für sich zu bewerten ist (§ 1 BewG). Wohnungseigentum, das zu mehr als 80 % Wohnzwecken dient, ist mit dem Vielfachen der Jahresrohmiete nach den für Mietwohngrundstücke geltenden Vorschriften zu bewerten. Der Wert von Grundstücken ist grundsätzlich im Ertragswertverfahren der §§ 78 ff. BewG zu ermitteln. Dabei ist der Grund- und Bodenwert als Mindestwert zu beachten.

Der Grundstückswert erfasst den Bodenwert, den Gebäudewert und den Wert der Außenanlagen. Er ergibt sich grundsätzlich durch Anwendung eines Vervielfältigers auf die Jahresrohmiete.

Jahresrohmiete (§ 79 BewG) ist das Gesamtentgelt, das die Mieter für die Benutzung des Grundstücks auf Grund vertraglicher Vereinbarungen (Mietvertrag) für 1 Jahr zu entrichten haben. Dabei sind Umlagen und alle sonstigen Leistungen des Mieters einzubeziehen. Für eigengenutzte oder unentgeltlich überlassene Grundstücke, für die keine Jahresrohmiete gezahlt wird, ist die übliche Miete in Anlehnung an die Jahresrohmiete zu schätzen, die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlt wird. Das gilt auch, wenn der Eigentümer dem Mieter die Räume zu einer um mehr als 20% von der üblichen Miete abweichende tatsächliche Miete überlassen hat.

Die erheblichen Steigerungen der Mietzahlungen hätten zwangsläufig zu häufigen Wertfortschreibungen mit steigenden Grundsteuerbelastungen geführt. Daher wurde die Bewertung der Grundstücke auf den Wertverhältnissen 1964 festgeschrieben, so dass heute noch von den durchschnittlichen Jahresrohmieten des Jahres 1964 der Gemeinden und nicht von den tatsächlich erzielten Mieteinnahmen ausgegangen wird.

Auf die maßgebliche Jahresrohmiete ist ein Vervielfätiger (§ 80 BewG) anzuwenden, der sich nach Grundstücksart, Bauart, Baujahr usw. ergibt und aus einer Tabelle (Anlage zum BewG) ablesbar ist. Außergewöhnliche, wertmindernde Umstände können durch Abschläge berücksichtigt werden (§§ 81 und 82 BewG).

Der mit DM-Werten ermittelte Einheitswert wird auf volle 100 DM abgerundet und in € umgerechnet und wieder auf volle 100 € gerundet.

In Einzelfällen, z.B. bei besonders aufwendig gebauten Wohnhäusern, ist die Bewertung statt im Ertragswertverfahren im Sachwertverfahren durchzuführen, was zu sehr viel höheren Werten führt, wodurch auch die Ungleichheit der Besteuerung deutlich wird.

3. Fortschreibung und Nachfeststellung der Einheitswerte 1935

Einheitswertfortschreibungen (§ 22 BewG) erfolgen, wenn Wertänderungen eintreten und dabei bestimmte Wertgrenzen erfüllt werden. Über die Art und Zurechnung des Gegenstandes wird eine Art- bzw. Zurechnungsfortschreibung erteilt, wenn es für die Besteuerung von Bedeutung ist.

Eine Nachfeststellung (§ 23 BewG) erfolgt, wenn eine wirtschaftliche Einheit neu entsteht oder eine bestehende erstmals zur Steuer herangezogen werden soll. Die Festsetzung erfolgt nur zum 1.1. eines Kalenderjahres.

4. Grundsteuererhebung

Auf den Einheitswert berechnet das Finanzamt den Grundsteuermessbetrag mit 3,5 von Tausend (bei Einfamilienhäusern für 38.346,89 € des Einheitswertes nur 2,6 v.T. und erst darüber hinaus 3.5 v.T.) und erteilt dem Grundstückseigentümer einen Grundsteuermessbescheid. Dieser wird auch der Gemeinde zugestellt, die daraufhin mit ihrem selbst festgelegten Grundsteuerhebesatz (B für Grundstücke) die Jahresgrundsteuer festsetzt und mit einem Grundsteuerbescheid bekannt gibt.

5. Vereinfachtes Berechnungsbeispiel für den Einheitswert eines Einfamilienhauses

Bei einer Wohnfläche von 100 qm und einer tatsächlichen Jahresmiete von 1.000 € wird lediglich eine Monatsmiete von z. B. 4 DM je qm des Jahres 1964, d.h. nur 2,05 € je qm angesetzt, was eine Jahresmiete von 2.460 € ergibt.

Der Vervielfältiger für Einfamilienhäuser beträgt 11,8, der Einheitswert daraufhin gerundet nur 29.000 €. Daraus errechnet sich der Grundsteuermessbetrag  mit  2,6  v.T. = 75,40 €. Die jährliche Grundsteuer beträgt bei einem Hebesatz von 400 %  301,60 €.

6. Fazit

Wie das Beispiel zeigt, kann eine ggf. notwendige gesetzliche Neuregelung eher einen höheren Einheitswert als geringeren ergeben. Eine unveränderte Grundsteuerbelastung wird daher nur durch geringere Messbeträge oder Hebesätze bzw. bei einem völlig neuen Verfahren zu erreichen sein. Vorschläge hierfür werden bereits diskutiert.

Die Zahlung der von den Gemeinden bisher festgesetzten Grundsteuern kann aber erst verweigert werden, wenn der Einheitswert vom Finanzamt aufgehoben würde, was aber frühestens nach einer entsprechenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts denkbar ist. Insoweit bleibt abzuwarten, welche Weisungen und Empfehlungen das Gericht dem Gesetzgeber erteilen wird. Dennoch sollten optimistische Grundsteuerzahler bei dieser Ausgangslage auf eine Rückzahlung von Grundsteuer hoffen und gegen eingehende Bescheide vorsorglich Einspruch einlegen.

Helmut Laser