Steuerhinweis für Rentner Nr.43                                                   3.10.2012

Kann die Steuergerechtigkeit durch Erhöhung der Steuersätze und Besteuerung des Vermögens verbessert werden?

Der in den Talkshows jüngst diskutierte Armutsbericht sowie die seit langem sehr kontrovers erörterte Rentenproblematik führt häufig zu pauschalen Aussagen darüber, welche Lasten der Steuerzahler zu tragen hat und wer diese Steuerzahler sind. Dabei wird zwecks Lösung dieser Problematik von verschiedenen Parteien eine Steuererhöhung für die Spitzenverdiener und/ oder die Abschöpfung des privaten Vermögens dieser Gruppe durch eine Vermögensteuer oder -abgabe gefordert.

Um einige Behauptungen, die in diesem Rahmen getroffen, sowie Fragen, die dabei aufgeworfen werden, sachlich zu beantworten, werden nachfolgend -insbesondere aus steuerlicher Sicht- die Fakten dargestellt und bewertet.

1. Welche Abgabenbelastungen haben Arbeitnehmer in Deutschland 2012 zu tragen?

1.1. Minijobs bis 400 €  (ab 1.1.2013 auf 450 € erhöht)
Arbeitnehmer sind für einen Minijob von 400 € von Sozialabgaben und Steuern befreit, während der Arbeitgeber 28 % Sozialabgaben (für Beschäftigung im Haushalt 10 %) zuzüglich 2 % pauschale Steuern  an die Bundesknappschaft abzuführen hat. Daher fließen diese Arbeitsentgelte dem Arbeitnehmer ohne Abzüge in vollem Umfang zu. Das entspricht einem sozialversicherungspflichtigen Brutto-Arbeitslohn von ca. 570 €.

1.2. Sozialversicherung
Für sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse sind ab dem ersten € folgende Abgaben vom Arbeitgeber einzubehalten und an die Sozialversicherungsträger abzuführen:

Bis zur Beitragsbemessungsgrenze von 45.900 €

 

 

Arbeitnehmeranteil für

Krankenversicherung

  8,200 %

 

Pflegeversicherung

0,975 %

 

insgesamt

9,175 %

Bis zur Beitragsbemessungsgrenze von 67.200 €

 

 

Arbeitnehmeranteil für

Rentenversicherung

9,800 %

 

Arbeitslosenversicherung 

1,500 %

 

insgesamt

11,300 %

Somit beträgt die Abgabenbelastung bis 45.900 €                      20,475 % und
für die weiteren Einkünfte bis 67.200 € zusätzlich                       11,300 %.
Daraus ergibt sich für Arbeitsentgelte ab 67.200 € eine bleibende Belastung mit Sozialabgaben von 11.805 €.

1.3. Steuern
Bis zu einem zu versteuernden Einkommen von 8.004 € entsteht keine Einkommensteuer (Grundfreibetrag). Das bedeutet für Arbeitnehmer, dass unter Berücksichtigung des Arbeitnehmer-Pauschbetrags von 1.000 € sogar rd. 9.000 € unversteuert bleiben. Erst dann entsteht eine progressive Steuerbelastung mit dem Eingangssteuersatz von 15 %, der bis zu einem zu versteuernden Einkommen von 52.881 € auf 42 % ansteigt und dann bis 250.730 € bei 42 % verharrt und erst für höhere Einkommensanteile 45 % beträgt. Bei Ehegatten wird das gemeinsame Einkommen halbiert (Splitting). Auf diesen Betrag wird die Steuer wie dargestellt errechnet und anschließend verdoppelt (unversteuert bleiben einschl. AN-Pauschbetrag sogar rd. 17.000 €).

 

Auf die Einkommensteuer wird außerdem der Solidaritätszuschlag von 5,5 % erhoben, so dass die Belastung ab 250.731 € 47,475 % beträgt.
Für folgende zu versteuernden Einkünfte (Bruttoarbeitsentgelte BAE) ergibt sich daher folgende Belastung an Abgaben in €

Zu versteuerndes Einkommen

Sozialabgaben

Steuern

insgesamt (Abgabenquote)

(BAE   9.004)   8.004

1.843

0

1.843     (23,03 %)

(BAE 14.469) 13.469

2.901

1.050

3.951     (29,33 %)

(BAE 46.900) 45.900

9.511

11.833

21.344     (46,50 %)

67.200

11.805

21.155

32.960     (49,05 %)

250.730

11.805

102.476

114.281     (45,58 %)

500.000

11.805

220.818

232.624     (46,52 %)

1.000.000

11.805

458.193

469.998     (47,00 %)

10.000.000

11.805

4.730.943

4.742.748     (47,43 %)

Schon bei 67.200 € liegt die Abgabenquote bei 49 %. Sie fällt dann auf ca. 45,5 %, weil die Belastung mit Sozialabgaben  gleich  bleibt und die Steuerlast sich erst bei steigenden Einkommen dem Höchststeuersatz von 47,48 % nähert (die Sozialabgaben von 11.805 € entsprechen etwa der Steuerminderung für die ersten Einkommensstufen).

Hier zeigt sich für mittlere Einkommen die "kalte Progression", die durch Glättung des Progressionstarifes beseitigt werden soll. Auch wären höhere Belastungen der Besserverdienenden durch Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenzen denkbar, was mehr Geld in die Sozialkassen brächte. Erhöhungen des Spitzensteuersatzes wären m. E. kontraproduktiv, weil sie insbesondere bei Einzelgewerbetreibenden die Investitionsspielräume reduzieren.

Wie sich zeigt, sind Minijobs nicht und Geringverdiener im Rahmen der steuerlichen Grundfreibeträge nur mit Sozialabgaben belastet. Auch die Argumentation, Steuererhöhungen würden sich bei Geringverdienern durch Verbrauchsteuer-Erhöhungen (u.a. Mehrwertsteuererhöhung auf 19 %) als Steuerbelastung immer stärker auswirken, ist bzgl. der Umsatzsteuer unbegründet, weil Mieten und Sozialleistungen vielfach von der MWSt befreit sind und Lebensmittel im wesentlichen dem unverändert gebliebenen MWSt-Satz von 7 % unterliegen. Und hierfür werden geringe Arbeitseinkünfte oder Sozialhilfeunterstützungen vorwiegend eingesetzt. 

2. Ist den Unternehmen eine Erhöhung der Einkommensteuer bzw. Körperschaftsteuer zuzumuten?

2.1. Gewerbesteuer
Unternehmen unterliegen bei gewerblicher Tätigkeit der kommunalen Gewerbesteuer mit 3,5 % des Gewinns vor Ertragsteuern. Darauf erheben die Gemeinden mit ihrem individuellen Hebesatz (z. B. 400 %) ihre Gewerbesteuer. Da die Gewerbesteuer den steuerlichen Gewinn mindert, entstehen von einem erwirtschafteten Gewinn vor Steuern von 100 € im Beispielsfall rd. 12 € Gewerbesteuer.

2.2. Körperschaften (z. B. AG und GmbH)
Die nach Abzug der Gewerbesteuer verbleibenden 88 € des erwirtschafteten Gewinns unterliegen bei diesen Unternehmen einer Körperschaftsteuer von 15 % zuzüglich 5,5 % Solizuschlag, also 15,825 % oder 13,93 €.

Auf 100 € vor Steuern ergeben sich daher 12 € GewSt und 13,93 € KSt und Solizuschlag, so dass die Ertragsteuerbelastung insgesamt 25,93 € (%) beträgt. Die nach Steuerabzug verbleibenden 74,07 € kann das Unternehmen thesaurieren bzw. investieren.

Werden die verbleibenden 74,07 € an die Aktionäre ausgeschüttet, wird darauf die Abgeltungssteuer mit 26,375% (25 % zuzüglich 5,5 % Solizuschlag darauf) berechnet. Das ergibt für den Aktionär eine Steuerbelastung von 19,54 €, so dass ihm nach dem Steuerabzug 54,53 € verbleiben. Die vom Unternehmen erwirtschafteten 100 € Gewinn vor Steuern sind dann insgesamt mit 45,47 € (%) Ertragsteuern belastet (25,93 € bei der Körperschaft und 19,54 € beim Aktionär).

Sind die Aktionäre durch Sparerfreibetrag oder geringe Einkünfte nicht zur Abgeltungssteuer heranzuziehen, verbleibt es bei der bei der Kapitalgesellschaft entstandenen Steuerbelastung.

2.3. Einzelgewerbetreibende
Bei natürlichen Personen unterliegt der gewerbliche Gewinn neben der Gewerbesteuer der Einkommensteuer (zuzüglich 5,5 % Solizuschlag). Bei Gewinnen über 250.000 € betragen Einkommensteuer und Solizuschlag 47,48 %. Für 100 € Gewinn vor Steuern ergeben sich 12 € Gewerbesteuer und auf die verbleibenden 88 € 41,78 € Einkommensteuer einschließlich Solizuschlag, so dass vom erzielten Gewinn vor Steuern von 100 € lediglich 46,22 € verbleiben. Das ergäbe eine Gesamtsteuerquote von 53,78 %, die erheblich über der Gesamtbelastung der Ausschüttungen der Kapitalgesellschaften gelegen hätte.
Daher  wurde als Ausgleich eine Einkommensteuerermäßigung eingeführt, die zu einer Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer führt (§ 35 EStG). Diese Steuerermäßigung ist seit Absenkung des Körperschaftsteuersatzes von  25 % auf 15 % für die Einzelgewerbetreibenden auf das 3,8 fache des Gewerbesteuermeßbetrages erhöht worden, wodurch die Steuerbelastung auf ca. 42 % sinkt und eine Ungleichheit der Besteuerung von Kapitaleinkünften gegenüber den Einzelgewerbetreibenden weitestgehend beseitigt wurde.

2.4. Übrige Kapitalerträge
Grundsätzlich unterliegen der Abgeltungssteuer alle Kapitaleinkünfte gem. § 20 EStG. Neben den oben dargestellten Gesamtbelastungen von Ausschüttungen der Kapitalgesellschaften gehören auch Zinserträge aus Geldanlagen und privaten Darlehen zu den mit der Abgeltungssteuer zu besteuernden Kapitalerträgen. Voll zu besteuern sind Zinserträge jedoch, wenn Gläubiger und Schuldner einander nahe stehende Personen sind und bestimmte Voraussetzungen erfüllen.

Unterliegen die Kapitalerträge somit nicht der Belastung mit Körperschaftsteuer, ist die Abgeltungssteuer die einzige Steuerbelastung. Sie ist bei höheren Einkünften somit gegenüber den oben beschriebenen Erträgen aus Kapitalgesellschaften und sonstigen Gewerbebetrieben sowie anderen Einkommensarten erheblich begünstigt. Dieses könnte eine Anhebung des Abgeltungssteuersatzes auf 35 % rechtfertigen.

3. Welche Gewinnverwendung einer Kapitalgesellschaft (eines Unternehmens) bringt dem Fiskus die höchste Steuereinnahme?

3.1. Hohe Gehälter
Wird z.B. einem Vorstand einer Aktiengesellschaft eine Sonderprämie von 17 Mio Euro gezahlt, beträgt die Steuerbelastung 47,48 % und der Fiskus kassiert 8.070.750 € als Einkommen(Lohn)steuer und Solizuschlag.

3.2. Ausschüttung an Anteilseigner
Schüttet die Gesellschaft den Betrag von 17.000.000 €  nach Abzug von 32,66 % Ertragsteuern (5.552.200 €) an die Aktionäre aus, entstehen auf den verbleibenden Ausschüttungsbetrag von 11.447.800 € 26,375 % Abgeltungssteuer, also 3.019.357 €, was eine Gesamtsteuereinnahme von 8.571.557 € ergibt.

Diese Steuereinnahme wird bei Publikumsgesellschaften meist dadurch gemindert, dass nicht alle Aktionäre Abgeltungssteuer zahlen. Das gilt z.B. für Kleinaktionäre durch Anwendung des Sparer-Pauschbetrages oder der Günstigerregelung.

Für den Fiskus führt die Verwendung erwirtschafteter Gewinne in beiden Fällen (hohe Gehälter und Abfindungen bzw. Ausschüttungen an Aktionäre) zu etwa gleich hohen Steuereinnahmen.

3.3. Erhöhung der Löhne und Gehälter
Verwendet das Unternehmen die erwirtschafteten Gewinne allgemein zur Verbesserung der Bezüge seiner Arbeitnehmer (z. B. durch Tariferhöhung oder Gewährung einer Jahresprämie), entfällt insoweit die Steuerbelastung von bis zu 47 %. Dafür sind aber Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung von bis zu 20 % abzuführen und der Arbeitnehmer muss darauf Arbeitnehmeranteile und ggf. auch Steuern entrichten.

 

4. Welche Spielräume bleiben zur Verbesserung der Staatseinnahmen?

4.1. Erhöhung des Einkommensteuersatzes
Minijobber zahlen keine Einkommensteuer und keine Sozialabgaben, dafür übernimmt der Arbeitgeber pauschal 28 % Sozialabgaben und 2 % Steuern (ca. 7 Milliarden im Jahr 2012). Geringverdiener müssen lediglich Sozialabgaben entrichten. Beide Gruppen zahlen somit keine Ertragsteuern. Die Steuerlast wird mit vertretbaren Steuersätzen ausschließlich von den mittleren Einkommen und mit hohen Belastungssätzen von den Spitzenverdienern (etwa 10 % der Steuerpflichtigen) erbracht. Damit tragen diese Gruppen in großem Umfang zum Bundeshaushalt bei und bringen dem Fiskus auch die Mittel zur Finanzierung der Geringverdiener, Sozialhilfeempfänger und Rentner (191 Milliarden Einnahmen an Ertragsteuern stehen allein 124 Milliarden für Ausgaben des Arbeitsministeriums für Sozialversicherung und Leistungen des 2. und 3. Sozialgesetzbuchs gegenüber). Eine Steuersatzerhöhung ist m. E. nicht bzw. nur moderat vertretbar.

4.2. Erhöhung des Abgeltungssteuersatzes
Das gilt auch für die geltenden Unternehmenssteuern. Allerdings führte der niedrige Abgeltungssteuersatz zu einer nicht ausreichenden Besteuerung von Ausschüttungen der Kapitalgesellschaften und zur Besserstellung gegenüber anderen Einkunftsarten. Bei gewerblichen Einkünften von Einzelgewerbetreibenden erfolgt die Angleichung durch die Steuerermäßigung des § 35 EStG. Durch eine Erhöhung auf 35 % könnte bedingt eine Gerechtigkeitslücke geschlossen und zusätzliche Steuereinnahmen generiert werden, die möglichst zweckgebunden (z. B. für die Rentensicherung) verwendet werden sollten. Damit läge Deutschland bei der Besteuerung privater Zinserträge jedoch hinter Dänemark (51,5 %) und dem Vereinigten Königsreich (50 %) an dritter Stelle innerhalb der EU-Länder.

4.3. Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze für die Rentenversicherung
Zur Verbesserung der notwendigen Abgaben zur Rentenversicherung könnte die Bemessungsgrundlage von derzeit 67.200 € (ggf. stufenweise) angehoben werden, weil dadurch weder die Geringverdiener, noch die Rentner, sondern gezielt nur die höheren Arbeitnehmer-Einkommen zusätzlich belastet würden. Entsprechende Mehrbelastungen treffen dann auch die Arbeitgeber. Falls diese aus Wettbewerbsgründen von den zusätzlichen Kosten verschont werden müssten, wäre auch ein Verzicht auf die entsprechenden Arbeitgeberbeiträge insoweit denkbar. Die zusätzlichen Beiträge würden die Rentenkassen entlasten und die notwendigen Zuweisungen aus Steuermitteln ggf. senken.

4.4. Einführung einer Vermögensabgabe und/oder Erhöhung des Erbschaftsteuersatzes
Eine Vermögensumverteilung durch eine Vermögensteuer oder -abgabe auf höhere Vermögen würde den Geringverdienern keine zusätzlichen Einnahmen und Vermögen bringen und sollte daher nicht erwogen werden. Diese Steuer wird z. Z. aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht erhoben, ist von der Finanzverwaltung nur mit hohen Kosten zu erheben und es gibt sie in der EU nur in wenigen Ländern (u. a. Frankreich und Vereinigtes Königreich). Hohes privates Vermögen ist in der Regel durch versteuerte Einkünfte entstanden oder nach Besteuerung mit Erbschaft- oder Schenkungssteuer meist von Eltern geerbt worden, so dass die Bundesländer (Erbschaftsteuer ist eine Landessteuer) davon bereits einen Anteil erhalten haben.

Angesammeltes Vermögen dient auch der Einkommenssicherung im Alter und sollte daher möglichst auch dafür eingesetzt werden. Bleibt davon im Todesfall etwas zum Vererben übrig, sollte dieses von den Erben nicht aufgebraucht, sondern zu ihrer eigenen Alterssicherung angelegt oder zurückgelegt werden. Auch die Schaffung von Wohneigentum kann dazu dienen, dass im Rentenfall  Mietkosten gespart werden. Ferner könnte diese Immobilie im Notfall sogar veräußert werden, um mit dem Verkaufserlös eine zweite Säule für die Altersversorgung zu ermöglichen. Um hierfür einen Anreiz zu schaffen, sollten zusätzliche Freibeträge gewährt und von solchen "Investitionsbedingungen" abhängig gemacht werden. Eine moderate Anhebung der Steuersätze für höhere steuerpflichtige Vermögensanteile scheinen vertretbar, obgleich schon heute nur für Angehörige hohe Freibeträge und niedrige Steuersätze gelten. Die übrigen Erben oder Beschenkten haben geringfügige Freibeträge und einen Steuersatz von 30 % und ab 13 Mio sogar 50 % (Einzelheiten siehe Steuerhinweis für Rentner Nr. 19)

Weitere Erhöhungen würden der Verbesserung der Steuereinnahmen dienen, sollten aber nur zweckgebunden (z. B. für Bildung) verwendet werden.

 
 

4.5. Möglichkeiten der Umverteilung
Eine Umverteilung ist nach den oben dargestellten Möglichkeiten nur denkbar, wenn die niedrigen Einkommensschichten durch Verbesserung ihrer Verdienstmöglichkeiten selbst in die Lage versetzt werden, ohne staatliche Zuschüsse ihren Lebensunterhalt zu verdienen und Sozialbeiträge zu leisten. Mindestlöhne können dieses Problem nur bedingt lösen, denn gleiche Mindest-Stundenvergütungen für alle bedeutet, dass die einfachen Tätigkeiten genau so mit dem Mindestlohn bezahlt würden wie die etwas höherwertigen. Um einen Mindest-Monatsnettolohn von z. B. 1.000 € zu erreichen, müssten daher auf der Basis unterschiedlicher Stundenvergütungen unterschiedlich viele Wochenarbeitsstunden geleistet und garantiert werden.

Für einen Nettolohn von 1.000 € muss der Bruttoarbeitslohn bei Ledigen ca. 1.500 €, bei Verheirateten ca. 1.300 € betragen, um nach Abzug von 20,5 % Sozialabgaben und den bei Ledigen außerdem entstehenden Steuern 1.000 € netto ausgezahlt zu bekommen. Um bei einem Ledigen den Bruttomonatslohn von 1.500 € zu erreichen, müssten bei einer Stundenvergütung von 7 € in der Woche 48 Stunden, bei einer Stundenvergütung von 10 € nur 34 Stunden je Woche gearbeitet werden (bei Verheiraten ergäben sich Wochenarbeitsstunden von 42 bzw. 30).

Arbeitnehmer

ledig

verheiratet ohne Kinder

Bruttoarbeitslohn monatlich

1.500,00 €

1.300,00 €

abzüglich 20,5% Sozialabgaben

-307,50 €

- 266,50 €

Zwischensumme

1.192,50 €

1.033,50 €

abzüglich Steuern

-190,00 €

0,00 €

Nettoarbeitslohn

1.002,50 €

1.033,50 €

Stundenlohn bei 48 Wochenarbeitsstunden

7,00 €

6,15 €

Stundenlohn bei 42 Wochenarbeitsstunden

8,11 €

7,00 €

Stundenlohn bei 34 Wochenarbeitsstunden

10,03 €

8,69 €

Stundenlohn bei 30 Wochenarbeitsstunden

11,36 €

9,85 €

Die Garantie der zur Erlangung des Mindestverdienstes zu leistenden Wochenarbeitsstunden würde bedeuten, dass dafür Minijobs oder andere Arbeitsverhältnisse entfallen müssten, wenn der Arbeitgeber die vorhandene Arbeit auf weniger Arbeitskräfte zu verteilen hätte. Dabei ist aber zu beachten, dass der vom Arbeitgeber dann zu tragende Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung nur 19,575 % statt der 30,01 % Pauschalabgaben eines Minijobs beträgt. Bei gleichem Aufwand könnte sogar eine höhere Vergütung gezahlt werden wie folgendes Beispiel verdeutlicht.
Beispiel:
Ein Minijob von 40 Monatsarbeitsstunden kostet einem Arbeitgeber bei einer Stundenvergütung von 8,50 € und 30,1 % Pauschalabgaben 442 € und somit für 4 Minijobs mit insgesamt 160 Monatsarbeitsstunden 1.768 € im Monat. Der einzelne Minijobber erhält 340 € (40 Std. x 8,50 €) ausgezahlt.
Wird dafür eine vollbeschäftigte Arbeitskraft mit 160 Monatsarbeitsstunden eingestellt, so beträgt das Monatsentgelt 1.360 €. Zuzüglich 19,575 % Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung von 266,20 € ergibt sich ein monatlicher Aufwand von 1.626 €. Mit dem ersparten Betrag von 143 € könnte eine Entgelterhöhung auf 9,20 € finanziert werden. Allerdings gingen in diesem Fall drei Minijobs unter. Dem Arbeitnehmer verbeiben von dem Bruttoarbeitslohn von 1.360 € nach Abzug von 20,475 % Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung von 278 € rd. 1.081 €. Ein Lediger hat darauf noch rd. 70 € Lohnsteuer zu entrichten, bei einem Verheirateten fällt keine Steuer an.

Bei der Frage eines angemessenen Mindestlohns ist bisher außer Betracht gelassen worden, dass in verschiedenen Branchen (z.B. im Frisör- oder Gaststättengewerbe) das übliche Trinkgeld steuerfrei ist und ohne Abzüge dem Arbeitnehmer zufließt und dadurch den Verdienst und Stundenlohn entsprechend verbessert. Eine Frisöse, die am Tag von 4 Kundinnen 16 € Trinkgeld kassiert, erhöht ihren Stundenlohn um mindestens 2 €.

Trotz der Diskussion über einen  gesetzlichen Mindestlohns und die Schaffung vollwertiger Arbeitsverhältnisse sind Minijobs für eine Nebentätigkeit sicherlich weiterhin wünschenswert (z. B. für Studenten oder Ehefrauen, die nur gelegentlich einer Nebenbeschäftigung nachgehen wollen oder können). Es sollte nur sicher gestellt werden, dass diese für einen späteren Rentenanspruch gebührend berücksichtigt werden, zumal der Arbeitgeber auch für Minijobs pauschale Sozialversicherungsbeiträge abzuführen hat.
Helmut Laser   3.10..2012